Impressionen aus einer Berliner Reha-Einrichtung

Unverhofft kommt oft. So auch mir geschehen. Im Bad gestürzt, dumm gelaufen: Trümmerbruch des rechten Sprunggelenks. Nichts mit Urlaub im Hochsommer, stattdessen OP und wochenlanger Aufenthalt im Krankenhaus.Dann kurzer Stopp zu Hause, ich warte auf die Reha.Ich bin kein Neuling in Sachen Reha. Hüft-OPs, Bandscheiben und Krebs haben mich diverse Einrichtungen außerhalb Berlins kennenlernen lassen.
Nun soll es Berlin werden, zwar nicht gleich um die Ecke vom Lietzensee meinem Zuhause, sondern im Norden der Stadt, auch an einem See gelegen, ein ehemaliges Hotel, auch gern gebucht von den Prominenten dieses Landes…
Aus gesundheitlichen Gründen benötige ich ein freistehendes Bett, statt des im bunten Prospekt ausgewiesenen an der Wand stehenden. Mehrere Versuche mit der Rezeption in Verbindung zu treten, telefonisch oder per Mail, es klappte nicht. Nach zwei Wochen entnervten Bemühens habe ich dann den Chefarzt/ärztlichen Direktor angeschrieben.
Zwei Tage später Rückruf seines Sekretariats. „Warum ich mich nicht an die Rezeption wende? Ich verweise auf mein Schreiben. „Fast alle unsere Betten stehen frei im Raum.“ Ich verweise auf den Prospekt, denn darin stehen nur in den teuer buchbaren Luxus-Suiten die Betten frei im Raum. Die Zimmer, Marke Kassenpatient, stehen eindeutig an der Wand. Antwort: „Man würde meine Anfrage prüfen, was sich tun ließe.“ Ich bin gespannt.
Eine Woche später Anreise in die Reha-Einrichtung im Rollstuhl. „Wir haben Ihnen ein Up-Grad gegeben auf die Privatstation, wegen mangelnder Auslastung. Falls wir Ihr Zimmer doch benötigen müssen Sie umziehen.“. Ich hätte auch ein Kassenzimmer bezogen mit freistehendem Bett, aber vielen Dank. Das Zimmer ist groß mit sehr großen Ankleidebereich, leider ohne Stuhl, mit Kühlschrank in der Schrankwand, drei Fenstern und großem Bad. Die Dusche mit Stufe für mich unbrauchbar. Die Aufnahme erfolgt durch eine gehetzte Schwester mit tausend Fragen an mich, ständig unterbrochen von tausend Anrufen an die Schwester.
Zwischendurch genieße ich mein frugales Mittagsmahl aus der braunen zerknautschten Papiertüte: Käse-Klappstulle, Müsli-Riegel, ein Apfel, eine kleine Flasche Wasser.
Später folgte dann die ärztliche (und einzige Untersuchung) während der ganzen Reha. Gegen Abend machte ich die Bekanntschaft mit dem Begleit-Service für Rollstuhlfahrer. Diese Damen und Herren waren ausnahmslos sehr freundlich, kamen leider immer viel zu spät, trotz eines vereinbarten Abholtermins – manchmal 30 – 45 Minuten – und waren immer gehetzt! Es lag nicht an ihnen. Sie waren schlicht unterbesetzt. Ich fühlte mich permanent schuldig, weil ich auf sie angewiesen war.
Die Wege in dieser Einrichtung bis zum Restaurant sprich Speisesaal waren enorm lang und ich war noch im Haus 1 untergebracht, die Gäste aus dem Haus 2 wurden laufmäßig echt gefordert. Wo sind die E-Roller, wenn man sie mal braucht…
Am Abend des Tages N° 1 wollte ich nur noch nach Hause. Sofort! Ich wurde zehn Minuten vor dem Schichtwechsel der Nahrungsaufnahme im Restaurant abgeliefert (angeblich gibt es eine Stunde Essenszeit – gilt nicht für Rollstuhlfahrer, die geschoben werden müssen). Das Personal und ich beide genervt. Nicht schön. Ich habe dann versucht durch eine Charme-Offensive und monetäre Zuwendung die Situation zu entspannen… Was hat mir die Reha gebracht?
In rund drei Wochen elf Einzelanwendungen – die waren und taten mir gut. Die Therapeuten dort verstehen ihr Handwerk. Dafür vielen Dank. Allerdings wurde ich mehrfach darauf hingewiesen, dass ich in dieser Reha völlig falsch sei. Sie seien spezialisiert auf Hüfte und Knie, Trümmerbruch des Sprunggelenks sei nicht ihr Fall…
Die „Mucki-Bude“ wird völlig überbewertet. Es gab eine Einweisung von 10 Minuten und fertig. Eine rabiate Frau (Trainerin?) tauchte plötzlich auf und riss Teile von meinem Rollstuhl ab, die sich danach – die Frau war längst verschwunden – nicht mehr ordentlich befestigen ließen. Der technische Dienst im Haus konnte nicht helfen und verwies mich lediglich an den Hersteller nach Ende der Reha-Maßnahme.
An drei Tagen wurde ich vor dem Fernsehgerät in meinem Zimmer geparkt. Es galt Vorträge zu konsumieren per TV. Wie werden diese eigentlich mit der Kasse abgerechnet? Frage ich mich immer noch. Wasserbestellung für das Zimmer – war nur persönlich im Rollstuhl an der Rezeption
möglich. Telefone werden wirklich völlig überbewertet. Kühlpads, Pflaster etc. nach einer Verstauchung des schon lädierten Beines zu bekommen waren – siehe unter Punkt Begleitservice. Fehlanzeige.
Das Housekeeping, die Putztruppe, nannte sich selbst so, reinigte Zimmer und Bad in rund zwei Minuten. Putzlappen etc. blieben dabei des Öfteren als kleine Überraschungauf dem Bett schon mal zurück. Betthupferl mal anders. Toilettenpapier-Nachschub lieferte zum Glück mein Mann. Wechsel der Bettwäsche lt. Prospekt wöchentlich, auf Nachfrage nach zwei Wochen.
Als ich zehn Tage nach der Ankunft um ein sauberes Glas im Zimmer bat, erntete ich nur Staunen. Warum? Tja, vielleicht weil ich im Rollstuhl saß, es draußen sommerlich warm war und ich schmutzige, verkeimte Gläser nicht so gerne mag…
Der mich behandelnde Arzt, also der, welcher eigentlich kommen sollte, wurde intern nur Dr. Kimble auf der Flucht genannt. Ich habe ihn nur einmal kurz an der Tür erlebt. Vielleicht hatte er Angst vor den Gästen des Hauses.

Das Beste kam wie immer zum Schluss: Der Entlassungsbericht wurde von dem ärztlichen Direktor/Chefarzt verfasst, der mich nie getroffen oder gesprochen hatte. Er bescheinigte mir großartige Fortschritte und ich sei in der Lage meinen Haushalt selbständig und allein zu führen. Des Weiteren wäre ich noch in den Genuss von weiteren Anwendungen gekommen, z. B. Anwendungen an der Motorschiene usw. Meiner mehrmaligen schriftlichen Bitte auf Änderung des Entlassungsberichts und Anpassung an die Realität wurde schlicht ignoriert.

Fakt ist: Ich kam im Rollstuhl und ich fuhr im Rollstuhl nach Hause und verließ diesen auch nicht in den folgenden vier Wochen. Den mich so beurteilenden Chefarzt habe ich nur auf großen gerahmten Fotos im Eingangsbereich zum Restaurant bewundern dürfen. Er, der ärztliche Direktor, Arm in Arm mit Frank Zander, Thomas Gottschalk und Gerhard Schröder, dem Busenfreund des lupenreinen Demokraten Putin.
Mein Fazit: Wenn es denn tatsächlich so eine „Puderzuckerblasmaschine“ gibt, von der früher in meiner Familie öfter mal die Rede war, dann weiß ich jetzt wo sie steht, wer sie bedient und wer in den Genuss des Puderzuckers kommt…

Autorin: Jutta Riemann