Das Ende des Jahres naht

Und schon wieder geht das Jahr bald zu Ende – obwohl gefühlt gerade einmal ein paar Wochen seit Silvester – vorbei sind. Es wird also Zeit zu überlegen, was man zukünftig verbessern kann; zu neudeutsch: Wie kann man sich selbst und das ganze Drumherum optimieren. Ich schaue mich im Spiegel an, ziehe freudlos eine Grimasse, betrachte meine Falten (und ja, auch jede hat eine Nachbarin) im Gesicht, und wenn ich lache, setzen meine Falten zum Gruppen-Kuscheln an. Ich seufze gequält, meine Laune sinkt weiter in den Keller und ich beginne verdrossen mit einer Bestandsaufnahme meiner Persönlichkeit:
Ja – ich könnte vielleicht ein bisschen netter zu meinen Mitmenschen sein. Nicht immer so schnell aus der Haut fahren, die Krallen zeigen, eben umgänglicher sein. Aber man will ja nicht gleich übertreiben und zu Mutter Theresa mutieren und reisverteilend über den Kudamm latschen. Eindeutig: Nein. Angeblich soll es tatsächlich einige Menschen glücklicher machen, freundlich durchs Leben zu streifen. Ich hege Zweifel, aber von mir aus, ich werde es mal ausprobieren…

Was stand da noch im Ratgeber? Seien Sie nett zu sich selbst!
Schauen Sie sich wohlwollend an. Skeptisch hebe ich den Blick und lassen ihn – bewusst wohlwollend über mich gleiten – und ja Herrschaften, meine Stimmung steigt, denn ich bin entschieden mehr als die komischen Beulen an den Schenkeln und diese ausgeprägten Stirnfalten. Wäre ich Brad Pitt oder George Clooney würde jeder diese Falten für rattenscharf halten. Ich muss dem Verfasser dieses Ratgebers ein Lob aussprechen: Ich bin ein verdammt tolles Gesamtpaket, mit Stärken, kleinen und zugegeben auch größeren Schwächen. Die etwa fünfzehn Kilos zu viel verdanke ich ausschließlich meinem Lieblingsarzt: Dr. Oetker.

Darüber hinaus haben amerikanische Wissenschaftler festgestellt: Frauen nehmen zu, weil sie so viel Weisheit und Wissen anhäufen, das nicht nur in unseren Köpfen steckt, sondern auch in unseren restlichen Körper übergeht.
Ergo, sind wir nicht füllig – sondern nur enorm kultiviert. Und deshalb höre auch ich ab jetzt auf, ausgerechnet mich selbst ständig mit Argusaugen kritisch zu beäugen, sondern werde mich einfach fortan nur noch Klasse finden!

Yeah, ab jetzt werde ich durch mein Leben rocken und Komplimente großzügig wie Viren verteilen. Jeder kriegt welche ab: der DHL-Bote, die grauhaarige grummelige Supermarktkassiererin, mein Liebster, die Zeitungsfrau, mein Friseur und der Busfahrer, einfach jeder. Leute, ich will Euch alle lächeln sehen!

Ganz Berlin und allen voran wird Charlottenburg-Wilmersdorf der Bezirk der lächelnden Gesichter – wäre dies nicht schön?
Komplimente machen kann jeder, Komplimente bekommen mag (fast) jeder. Sie sind der ultimative Stimmungsaufheller: Also raus damit. Sie tun nicht weh und sie sind kostenlos.

Und ab sofort ist Schluss mit meinen jahrelang im Kleiderschrank gehüteten „guten Klamotten für sonntags“. Ab jetzt wird jeden Tag aufgerüscht und aufgebrezelt, was das Zeug hält. Und ich werde jetzt mit über siebzig – öfter frech sein – mir nicht mehr von anderen den Mund verbieten lassen.
Ich bin kein kleines Häschen, sondern eine erwachsene Frau mit Ansprüchen, die für sich selbst einsteht. Wer mich früher wütend machte, erntete oft nur eisiges Schweigen meinerseits. Damit ist es ab jetzt vorbei:
„Wer mich jetzt wütend macht, der kriegt dann aber auch etwas geboten!“

By the way: Eine kleine Empfehlung an die jüngeren Frauen unter uns. Wenn Sie keine Kinder in diese Welt setzen wollen ist dies völlig in Ordnung. Wenn Sie dennoch den Wunsch verspüren in einem anderen Menschen weiterleben zu wollen, dann besorgen Sie sich doch bitte einen Organspenderausweis!

Zusammenfassend stelle ich hier und heute fest: Ab heute ist mir mein Alter völlig egal. Alter ist nur eine Zahl, kein Zustand. Nur weil die Hüfte kracht, ist das Leben nicht vorbei. Suchen Sie sich eine gute Klinik, lassen Sie den Fachmann/frau seine/ihre Arbeit tun und melden Sie sich anschließend zum Fallschirmspringen an.
Liebe Mitmenschen, wir alle haben nur dieses eine Leben und wenn wir dieses richtig leben, reicht auch einmal, denn machen Sie sich bewusst:
„Wir alle sind nur ´ne simple Fruchtfliege in der Salatschüssel des Universums. Nicht mehr und auch nicht weniger!“

Autorin: Jutta Riemann